4 Wellington 

23.-25.11.2016

„Fahr bloß nicht nach Wellington rein“, gab mir Dietmar noch zu verstehen bei unserem letzten Treffen. Diese Warnung ist aber untergegangen unter den Horrormeldungen anderer Backpacker über die Zustände der Hostels. Und in der Tat gibt es auch auf allen Webseiten nur Hostels unterhalb der 7/10 oder 70%-Marke und damit ein Hostel diese Bewertung bekommt, muss es das schon herausfordern. Der Buschfunk spricht sogar von Buden, die die Vorstufe zur Obdachlosigkeit darstellen.
Als ich vom sauberen und ordentlichen „Ducks and Drakes“ in New Plymouth aufbreche, weiß ich schon dass ich Steffi, Anna und Matt wiedersehe, die mit dem Bus nach Wellington fahren und auch im Waterloo absteigen.
Als ich dort bin trifft mich fast der Schlag. Jede kleinste Ecke ist mit Parkautomaten und Parkverbotsschildern zugepflastert. Als ich die Rezeptionistin im Hostel frage wo man hier parken könne, verweist sie mich auf einen Parkplatz am Wasser, der mit 15 Dollar für 12 Stunden der billigste sei. Und nach 2 Stunden herumgekurve durch die Stadt kann ich tatsächlich sagen dass sie Recht hat. Ich habe im Umkreis von 5 km um die Innenstadt tatsächlich keinen Ort gefunden, der nicht mindestens 1,5 Dollar pro Stunde kostet. Ich zahle für die zwei Tage hier alleine 36 Dollar Parkgebühren und alleine das bringt mich dazu so schnell wie möglich wieder zu verschwinden. 

Wellington ist die Hölle,  zumindest Verkehrstechnisch. 



Womöglich wäre es besser gewesen in Lower Hutt zu bleiben, aber da gibt es einfach keine Übernachtungsmöglichkeit. Und bis auf Zealandia ist es möglich alles relevante in Wellington an einem Tag zu sehen und dabei noch ein Telefon neu in Betrieb zu nehmen.  

Mein neues Arbeitsgerät ist ein chinesisches Produkt und ersetzt das ertrunkene Z1,  das mit Vati im Februar nach Hause fliegen darf. 



Dass die Wellingtonner nicht ganz dicht sind, merkt man schon daran dass sie ihre Stadt an einem der undenkbarsten Orte ganz Neuseelands gebaut haben, nämlich inmitten einer Verwerfung, die durch die australische und die pazifische Kontinentalplatte gebildet wird. Davon gibt es eine Menge Orte in ganz Neuseeland, aber sicher nur wenige bieten so wenig Platz wie Wellington, denn die Stadt ist von Wasser und Bergen begrenzt. Und noch etwas würde mich davon abhalten die Hauptstadt eines Landes an dieser Stelle zu errichten und das ist der Windkanal, der durch den Cook Strait gebildet wird und die Stadt mit Windgeschwindigkeiten von teilweise über 200km/h ordentlich durchföhnt. Bei 173 Tagen mit Windgeschwindigkeiten über 60km/h im Jahr hätte ich auch keinen Bock mit dem Fahrrad auf Arbeit zu fahren und das Auto kann man generell vergessen hier.
Das beste kommt aber noch: Die Wellingtonner haben ihren Flughafen auf einer Halbinsel gebaut, die erst 1660 bei einem Erdbeben entstanden ist. Vorher lag das Areal im Wasser. 1855 hob ein erneutes Erdbeben die Landbrücke um weitere 1,5m an. Bei einem Sturm 1968 wurden dort 275km/h gemessen, bevor es die Messeinrichtung weggerissen hat. Eine Interisland-Fähre kenterte und kostete 51 Menschen das Leben. Highway 1 und alle Bahngleise laufen übrigens auch über die Verwerfung aus der Stadt hinaus.
Alle diese Informationen sind nicht geheim, sondern können an einem Tag zu Fuß und kostenlos auf dem Mount Victoria und im Te Papa Museum eingesehen werden. Ich weiß nicht ob es einfach nur risikofreudig oder schon behämmert ist, Wellington zur Hauptstadt zu erklären. Eine Stadt, die im gar nicht so unwahrscheinlichen Fall einer Katastrophe (Erdbeben, Sturm, Vulkanausbruch) ziemlich mit sich selbst beschäftigt sein wird. Aber wie Hagen Rether schonmal festgestellt hat:

„Es nutzt nix wenn du schlau bist, wenn du doof bist.“

Das Te Papa Tongarewa ist das Nationalmuseum und ist riesig groß…

Es erklärt so ziemlich alles, was man über Neuseeland wissen muss. Die Entwicklung des Waldes… 

…die Kiwiarten…

…was davor da war… 

…was ausgestorben ist… 

…wie die Maori Nahrung von Schädlingen fern gehalten haben… 

…wie James Cook auf ein Riff aufgelaufen ist und Balast löschen musste, um die Endevour wieder manövrieren zu können…

…welche Tierarten fremd auf die Inseln eingeschleppt wurden. 

…wie die Neuseeländer im ersten Weltkrieg auf Seite der englischen Krone in der Türkei gekämpft haben…

…und wie viele Verluste sie dabei verzeichnen mussten ohne Erfolge zu erzielen.

 Im Nationalmuseum darf natürlich der Vertrag von Waitangi nicht fehlen, der das Verhältnis zwischen Maori und der englischen Krone definiert. 

Politische Affären wie die Sprengung der Rainbow warrior durch den französischen Geheimdienst werden auch thematisiert. Wer sich jetzt fragt, warum die Franzosen ein Schiff im Hafen Aucklands gesprengt haben und eine Stunde Zeit hat, lege ich dieses Video ans Herz:

Zeitgenössische Installationen von neuseeländischen Künstlern werden genauso ausgestellt…

…wie echte Kunstwerke, hier die pink and white terraces, die beim Ausbruch des Tarawera 1886 zerstört wurden.

Und auch manch merkwürdigen Installationen wird eine Bühne geboten. 

Ein weiteres Highlight in Wellington ist der Mt.Victoria Lookout, der sich über die Stadt und den gesamten Hafen erhebt. Im sogenannten Townbelt wurden auch Szenen für den Herrn der Ringe gedreht, zum Beispiel der erste Kontakt der Hobbits mit einem der Nazgul.

Die Straße nach Bree? Weg im Mt. Victoria Belt.

Auf dem Weg zum Lookout kann man sich schonmal auf ein Privatgelände verlaufen.

Durch den Mt. Viktoria wurde ein Tunnel gegraben, um Wellington mit seinen Vororten zu verbinden. Natürlich nur per Bus. 

Eine Schande dass ich nicht in der Stadt bleiben kann, um die Trails unter die Stollen zu nehmen. 

Wellington in seinen ganzen Ausmaßen. 

Der Flughafen auf der erst 1660 entstandenen Landbrücke.

Fliegt man vom Mt. Victoria geradewegs nach Süden, kommt nur noch die Antarktis. 

Schauplatzwechsel: Wellington von der anderen Seite aus (Cable car lookout)

Die Cuba Street ist der wohl entspannteste Ort Wellingtons, trotz des viele Kaffees, der hier serviert wird. 
Zwischen den Wolkenkratzern im Financial district sieht das schon anders aus. 

Die haute-classe sociale lässt die Hotels kärchern,

…während andere Gebäude nach dem Erdbeben geschlossen bleiben. 

…die BNZ-Filiale ist nicht sehr hoch und ist dennoch beschädigt worden.

Dennoch lernt man nicht daraus und will höher hinaus. 

Dass beim letzten Erdbeben nicht schwerere Schäden entstanden sind, ist wohl ein ziemliches Glück. 

Meine Vorschläge für eine halbwegs sichere Hauptstadt wären übrigens Hamilton, Tauranga, Nelson und Dunedin. Auckland liegt auf einem Vulkanfeld, Napier hat es 1931 schonmal zerstört, genauso wie Christchurch 2011. In Rotorua wird immer mal ein Holzschuppen durch Druckentladungen aus der Erde hochgejagt, New Plymouth liegt gefährlich nahe an einem Vulkan, der aller 300 Jahre aktiv ist und jetzt schon 250 davon im Schlaf verbracht hat. In Gisborne sind die Hänge so steil, dass es immer mal Landrutsche gibt und das Straßennetz bis dahin hängt eher an zwei seidenen Fäden.